Tierschutz

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BESCHLUSS
des Bundesvorstands der FDP, Berlin, 25. Januar 2021
Marktwirtschaft kann Tierschutz
Tierschutz ist eine Frage der Haltung Tierschutz ist keine wirtschaftliche, es ist eine ethisch-moralische Frage. Sie kann deshalb auch nicht ausschließlich über den Markt beantwortet werden. Wir brauchen eine gesellschaftliche Wertedebatte, der eine klare Regulierung folgen muss. Dabei verlieren wir Freie Demokraten aber auch nicht aus den Augen, dass wir die heimische Nutztierhaltung nur erhalten können, wenn sie konkurrenzfähig und wirtschaftlich betrieben werden kann. Wir Freie Demokraten haben die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz vorangetrieben, weil dieser für uns untrennbar mit einer liberalen Werteordnung verbunden ist. Wie wichtig uns Freien Demokraten der Tierschutz schon in der Vergangenheit war, unterstreicht die Aussage des ehemaligen Bundesvor- sitzenden Guido Westerwelle, der 2002 im Vorfeld der Bundes- tagswahl betont hat, dass, wer mit der FDP regieren wolle, wissen müsse,dass sie die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz durchsetzen werde. Die Verankerung des Tier – schutzes als Staatsziel im Grundgesetz ist ein Auftrag an unseren Rechtsstaat.
Tierschutz heißt Tierwohl
Tierschutz reduziert sich nicht auf den Schutz wildlebender Arten, sondern umfasst ausdrücklich auch die Haus- und Nutz- tiere. Jedes Lebewesen sollte, wenn nicht in Freiheit, so doch möglichst tiergerecht aufwachsen können. Diese Auffassung teilen wir Freie Demokraten mit der großen Mehrheit der Gesellschaft. Umfragen bestätigen immer wieder, wie wichtig den Deutschen der Tierschutz ist. Aber nicht nur das, auch die öffentlichen Debatten über Tiertransporte, intensive Tier – haltung, über bestimmte landwirtschaftliche Praktiken von Kastenständen für Sauen, über das Schreddern männlicher Küken bis hin zur betäubungslosen Kastration von Ferkeln zeigen, dass die Wertevorstellungen der Gesellschaft mit bestimmten Praktiken kollidieren. Die Konflikte zwischen Gesellschaft und Tierhaltung belasten beide Seiten, Teile der Verbraucherinnen und Verbraucher stehen den Landwirtinnen und Landwirten misstrauisch gegenüber, diese wiederum sehen sich in vielen Dingen unter einen ungerechtfertigten General – verdacht gestellt. Wir Freie Demokraten sehen es als unsere Aufgaben an, diesen Konflikt aufzulösen. Dabei geht es uns um eine tiergerechte Nutztierhaltung, aber auch um den Erhalt der Wettbewerbs- und Existenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe.
Tierwohl: Eine Chance für die Landwirtschaft
Auch wenn in der aktuellen Debatte vielfach von Missständen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung die Rede ist, darf nicht übersehen werden, dass es auch zahlreiche Verbesserungen gegeben hat. Alte Stallungen waren oftmals geprägt von beengten Verhältnissen, schlechten Klimabedingungen sowie wenig tiergerechten Haltungsbedingungen. Hier haben deutliche Verbesserungen stattgefunden, moderne Stallungen bieten mehr Bewegungsfreiraum und sind deutlich tier – gerechter, als dies bei alten Stallgebäuden der Fall ist. Tierwohl ist auch nicht an eine bestimmte Betriebsgröße gebunden, viel – mehr kommt es auf die tatsächlichen Haltungsbedingungen und das Management an Landwirtinnen und Landwirte, die verantwortungsvoll mit ihren Tieren umgehen, leiden, wenn sie in der Öffentlichkeit unter den Generalverdacht der Tierquälerei gestellt werden. Die gesellschaftliche Dauerkritik an dem landwirtschaftlichen Berufsstand beschleunigt den Struktur- wandel. Junge Landwirtinnen und Landwirte sind nicht mehr bereit, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, solange sie
gesellschaftlich stigmatisiert werden. Die Folge ist, dass immer mehr Betriebe aufgeben müssen und die Gesellschaft mit ihrer Kritik genau das befördert, was sie eigentlich nicht will: Das Sterben kleinbäuerlicher Betriebe.
Die Bauerndemos der letzten Jahre sind ein Beleg für die Entfremdung zwischen politischen Meinungsbildnerinnen und Meinungsbildnern sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern einerseits und der Landwirtschaft anderer seits. Während erstere immer höhere Ansprüche an eine ökologische Feldwirtschaft, an eine tiergerechte Nutztierhaltung formulieren, ist die Realität der Landwirtschaft geprägt von schwankenden Preisen, Existenznöten und steigenden Kosten für Betriebsmittel. Nur mit höheren Einnahmen und verlässlichen Rahmenbedingungen können Investitionen gestemmt werden. Und ohne Investitionen ist mehr Tierwohl nicht zu haben. Ein Höchstmaß an Nachhaltigkeit ist nicht ohne ein Höchstmaß an Technologisierung zu erreichen. Das digitalisierte Güllefass ist jedem herkömmlichen im Biolandbau überlegen, wenn es um Grundwasserschutz geht. Wir Freie Demokraten fordern deshalb einen New Deal zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Die Forderungen der Gesell – schaft im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes sind berechtigt. Gleiches gilt aber auch für die Sorgen der land – wirtschaftlichen Betriebe, die von ihrer Arbeit leben müssen. Hier muss ein fairer Lastenausgleich geschaffen werden, wie es ihn in einigen Bereichen, etwa im sogenannten Vertragsnatur – schutz bereits gibt. Der Grundgedanke des Vertragsnatur – schutzes, wonach besondere ökologische Leistungen auch besonders honoriert werden, kann zu einem Fundament eines neuen, eines fairen Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft werden
Tiergerechte Haltung, besseres Einkommen
Beim Umwelt- wie beim Tierschutz muss es nicht verhandel – bare Grundanforderungen geben: Was andere Menschen gefährdet bzw. Tiere einer unzulässigen Qual aussetzt, muss gesetzlich verboten werden. Ansonsten führt der marktwirt – schaftliche Wettbewerb zu dem Fehlanreiz, dass sich die niedrigsten Standards durchsetzen. In einer modernen Markt- wirtschaft definiert die Gesellschaft, die Rahmenbedingungen und die Grundanforderungen, der Markt sorgt dann dafür, dass diese möglichst effizient und wirtschaftlich umgesetzt werden. Aber nur im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Marktwirtschaft und Tierschutz sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: die Marktwirtschaft kann dazu beitragen, den Tierschutz schneller, kostengünstiger und konsequenter umzusetzen, als dies mit
staatlich-dirigistischen Korrekturmaßnahmen möglich wäre. Nicht Sondersteuern oder andere Lenkungsmechanismen, sondern klare Regeln und deren staatliche Durchsetzung sichern ein Höchstmaß an Tierschutz
Wir Freie Demokraten fordern die konsequente Einbindung des Tierschutzes und einer tiergerechten Nutztierhaltung in unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung. Wir setzen uns für einen stringenten und konsequenten Tierschutz ein. Haltungsformen wie Anbindehaltung und Kastenstand müssen so schnell wie möglich tierfreundlicheren Alternativen weichen. Praktiken, die erkennbar und offensichtlich ethisch unvertretbar sind, wie das Kükenschreddern oder die betäubungslose Ferkelkastration, müssen ohne Wenn und Aber besser heute als morgen europaweit verboten werden. Tierquälerei ist mit den Werten einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft unvereinbar.
Das Erreichen des Ziels einer tiergerechten Nutztierhaltung geht nur zusammen mit den Tierhalterinnen und Tierhaltern und unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Landwirtschaft. Stallgebäude sind sehr langfristig angelegte Investitionsgüter, deren Nutzung auf viele Jahre angelegt ist.
Gesellschaftliche Wertvorstellungen entwickeln sich aber so dynamisch, dass es für die landwirtschaftlichen Betriebe sehr schwierig und teuer ist, sich den geänderten Anforderungen anzupassen.
Den Betrieben diese Anpassung zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen, ist im Interesse der Gesellschaft und auch der Tiere.
Wir haben Vertrauen in Landwirtinnen und Landwirte und wollen sie mit einem funktionierenden Kontrollsystem der Veterinärämter dabei unterstützen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhöhen.
Wir fordern, dass die Veterinärämter finanziell aufgestockt werden und die Intervalle in Regionen mit kaum Kontrollen stark verkleinert werden. Alle zehn Jahre sollte zudem mindestens eine unangekündigte Kontrolle stattfinden. Gleich- zeitig muss der Staat Landwirtinnen und Landwirte mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vor Stalleinbrüchen schützen und dagegen vorgehen.
Wir Freie Demokraten fordern mehr staatliche Unterstützung im Bereich der tiergerechten Nutztierhaltung. Diese sollte aber nicht über den Umweg einer staatlichen Abgabe erfolgen. Eine Abgabe schafft zusätzliche Bürokratie und komplizierte Finanzströme. Das öffentliche Interesse an kontinuierlich tiergerechten Haltungsformen in der Landwirtschaft rechtfertigt eine finanzielle Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe solange, bis der Übergang von staatlichen Subventionen zu einer marktwirtschaftlichen Agrarpolitik geschafft ist. In dieser Übergangsphase geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die zentrale Frage, ob tiergerechte Nutztierhaltung für uns eine klare Priorität ist Preisbildung für Erzeugnisse aus tier – gerechter Nutztierhaltung wollen wir Freie Demokraten nicht
über Sonderabgaben lenken, sondern über Transparenz und eine generelle Anhebung der Standards in der Tierhaltung, und zwar auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, hier schnellstmöglich zu einer belastbaren Überein – kunft zu kommen. Gesunder Wettbewerb in einer funktionierenden Marktwirtschaft ist ein Wettbewerb um Effizienz aber niemals ein Wettbewerb um die niedrigsten sozialen und ethischen Standards. Wertedumping ist für Freie Demokraten keine Option.
Wir Freie Demokraten fordern von der Bundesregierung belastbare Initiativen nicht nur auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch der Vereinten Nationen. Das Wohlergehen unserer Nutztiere ist kein individuelles, kein nationales, es ist ein ethisches, ein globales Anliegen und muss
sich auch in der politischen Haltung niederschlagen.
Tierfreundliche Digitalisierung
Wir Freie Demokraten fordern, der tiergerechten Nutztier – haltung auch in Forschung und Beratung mehr Bedeutung beizumessen. Die Digitalisierung eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, das Tierwohl zu steigern. Schon heute kann so die Fütterung der Tiere individuell angepasst werden. Die Digitalisierung ermöglicht es gerade auch in der Tierhaltung, den Bedürfnissen des einzelnen Tieres in weit größerem Maße Rechnung zu tragen als dies bisher der Fall war. Diese Chancen wollen wir Freie Demokraten unbedingt nutzen. Zahlreiche Start-ups haben das Potential der Digitalisierung im Bereich der
Tierhaltung erkannt und entwickeln Systeme, um die Tier – haltung individueller und tiergerechter zu gestalten. So gibt es schon heute spezielle Gesundheitsapps für Tiere, die kontinuierlich deren Gesundheitszustand erfassen und so dazu beitragen, den Medikamentenverbrauch zu reduzieren und
die Lebensqualität der Tiere zu erhöhen. Früh erkannte Krank – heiten machen den Antibiotikaeinsatz entbehrlich. Diese Chancen müssen flächendeckend genutzt werden.
Transparenz schützt Tiere
Wir Freie Demokraten setzen auch bei der tiergerechten Nutztierhaltung auf den Markt. Der Staat muss klare Standards vorgeben, darüber hinaus muss er aber Anreize schaffen, die eigendynamische Entwicklungen in Richtung mehr Tierwohl befördern. Zahlreiche Umfragen belegen, dass es eine Bereit- schaft der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt, für Produkte aus tiergerechterer Nutztierhaltung höhere Preise zu bezahlen. Die Einführung einer Deklarierung der Haltungsform bei Hühnereiern hat dazu geführt, dass Eier aus Käfighaltung weniger und Eier aus anderen Haltungsformen in weit stärkerem Maß nachgefragt werden
Wir Freie Demokraten fordern, diesen Mechanismus auch auf andere Tiererzeugnisse auszudehnen. Ein ganz wesentlicher Aspekt für eine funktionierende Marktwirtschaft ist Transparenz. Die Kundinnen und Kunden müssen wissen, was sie kaufen. Bezogen auf eine tiergerechte Nutztierhaltung müssen sie auf einfache Weise erfassen können, welches Produkt aus einer Haltung stammt, die minimal verbesserten oder nachhaltigen Ansprüchen entspricht.
Tierschutz weltweit verwirklichen
Das Eintreten für Tierschutz und Artenvielfalt ist uns auch weltweit ein wichtiges Anliegen. Wir wollen die Bekämpfung des Handels mit bedrohten Tierarten global vorantreiben und konsequenter durchzusetzen. Die Abholzung von Urwäldern als Lebensraum zahlreicher bedrohter Tierarten lehnen wir inner – halb und außerhalb der EU ab. Um den tropischen Regenwald zu schützen, setzen wir uns für die völkerrechtliche Ächtung negativer Waldbilanzen von Staaten und für die konsequente Überprüfung und Sanktionierung illegaler Regenwaldholz-Importe ein. Erhobene Bußgelder sollen zum Erwerb und Schutz von Regenwald eingesetzt werden. Deutschland soll seine Entwicklungszusammenarbeit an den Erhalt von Wald knüpfen und auf diesem Weg einen zentralen Beitrag zum Tierschutz leisten ist. Nur so kann eine vollständige Markt- transparenz gewährleistet werden. Wer wirklich nur auf den
Preis achtet, muss sich auch selbst der Verantwortung dafür stellen, was dieser für das Tier bedeutet. Marktwirtschaft braucht Verantwortung und mit der Kaufentscheidung ist auch die Übernahme einer ethischen Verantwortung verbunden. Wir Freie Demokraten wollen niemandem eine Kaufentscheidung aufzwingen, wir wollen aber dass sich jeder der Verantwortung für seine Kaufentscheidung stellt. Tierschutz und Tierwohl sind wichtige Anliegen unserer Gesellschaft. Wir Freie Demokraten wollen deshalb beides fest in unserer Rechtsordnung und unserem Wirtschaftssystem verankern. Unsere soziale Marktwirtschaft ist nicht nur ein Garant einer dynamischen Wirtschaft und damit unseres Wohlstandes. Unsere Markt – wirtschaft kann uns auch dabei helfen, unsere zentralen gesell- schaftspolitischen Anliegen effizient umzusetzen. Unsere soziale Marktwirtschaft kann auch Tierschutz. Wenn der Staat klare Regeln setzt, trägt der Wettbewerb zu maximalem Tier – schutz zum besten Preis bei. Darauf kommt es an, denn jeder soll tiergerechte Nutztierhaltung durch seine Kaufentscheidung unterstützen können