FDP: Kritik an Inklusion ist kein Oppositionsreflex – Rot/grüne Gesetzesvorlage zur Inklusion ist ein Desaster - archiviert

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Das Interesse an der von der FDP Kreis Kleve veranstalteten Diskussionsrunde zum Thema  Inklusion war erwartungsgemäß groß. Vor allem Lehrer und kommunalpolitische Vertreter nahmen an der Veranstaltung im Hörsaalzentrum der Hochschule Rhein-Waal in Kleve teil.

In seiner Begrüßung betonte Prof. Dr. Ralf Klapdor, Vorsitzender und Bundestagskandidat der FDP im Kreis Kleve, dass auch der Veranstaltungsort barrierefrei gebaut wurde, um Studenten mit Behinderung den Zugang nicht nur zum Gebäude, sondern damit auch zu Bildung zu ermöglichen. „Das“, so Klapdor, „ist sicherlich zukunftsweisend. Allerdings sind nicht nur barrierefreie Schulen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Inklusion von Schülern in den Betrieb der Regelschulen.“ Die aktuellen Vorgaben der rot/grünen Landesregierung in NRW machen Eltern und Kommunalpolitik die Entscheidung für oder wider Inklusion jedoch nicht gerade leicht.

Ulrich Wontorra, Leiter des Dezernates Schulen beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), wehrte sich zunächst gegen den Vorwurf der mangelnden Offenheit für die Inklusion. Aktuell betreut der LVR 41 Förderschulen mit rund 8.000 Schülern. Diese Kinder haben aufgrund ihrer komplexen Behinderungen einen hohen Pflege- und Therapiebedarf. Zumeist handelt es sich dabei um Schüler, die unter die Förderschwerpunkte „geistige Entwicklung“, „auditive Wahrnehmungsstörungen“ und „Sehen“ fallen. Für diese Schüler wäre ein Wechsel an eine Regelschule, wenn überhaupt,  nur mit sehr hohem individuellem Betreuungsaufwand möglich. Wontorra betonte: „Der LVR steht grundsätzlich zum System der Förderschulen, aber wir unterstützen auch die Inklusion. Die Qualität der Förderschulen muss allerdings auch in den Regelschulen gewährleistet sein, damit die Kinder nicht schlechter gestellt werden.“ Schüler mit motorischen Störungen erfordern keinen besonderen Pflegebedarf und besuchen somit schon vermehrt Regelschulen.
Als Vertreter der Lehrerschaft wies Jens Willmeroth, Kreisvorsitzender des Ver-bands Bildung und Erziehung (VBE) sowie Grundschulrektor und Personalrat der Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen im Kreis Kleve, darauf hin, dass die Inklusion ein wichtiges Thema ist, dem  die Lehrer grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Allerdings müssten die Grenzen der Inklusion eindeutig definiert werden. Aus seiner Praxis berichtete er von den positiven Erfahrungen an der Luther-Schule in Kleve, an der seit 12 Jahren Lehrer aus Förder- und Regelschulen gemeinsam unterrichten. Willmeroth kritisierte aber, dass nach den geltenden Bestimmungen die Feststellung einer Lernbehinderung erst ab dem 3. Schuljahr in der Regelschule zulässig ist. Selbst wenn diese Lernbehinderung schon durch den Kindergarten festgestellt und von einem Kinderarzt bestätigt wird, muss das Kind zunächst in eine Regelschule eingeschult werden.

Scharfe Kritik an den Plänen der NRW-Landesregierung äußerte auch der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag und integrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Joachim Stamp: „Obwohl das Gesetz von großer Tragweite ist, ist es zugleich völlig realitätsfremd. Bedauerlicherweise ist Rot/Grün aber nicht zu Nachbesserungen bereit.“ Stamp verwies in diesem Zusammenhang auf das Angebot der FDP an Ministerin Löhrmann (Grüne), den Gesetzentwurf zurückzuziehen, um dann in interfraktionellen Beratungen eine realistische Lösung zu finden. „Leider haben die Grünen diesen Vorschlag abgelehnt und wollen nun mit aller Macht und Eile ihre Vorstellungen durchsetzen. Unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Sinne der Betroffenen zeigt aber, dass unsere Kritik keineswegs ein Oppositionsreflex ist“, bedauert Stamp die starre Haltung der Grünen. „Besonders beachtlich ist dabei, dass mit dem Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach, Norbert Bude, ein SPD-Stadtoberhaupt mit Klage vor dem Verwaltungsgericht wegen der für die Kommune zu erwartenden hohen Kosten droht“ ergänzt Stamp.
Über die zu erwartenden Kosten zeigen sich auch die Kommunen im Kreis Kleve besorgt. Das kürzlich von Landrat Spreen den Kommunen im Kreis vorlegte Konzept für drei Förderschulzentren in Emmerich, Goch und Geldern ist der letzte Versuch, überhaupt noch ein gewisses Förderschulangebot im Kreis zu erhalten, da 7 der 8 Förderschulen nach dem Willen der Landesregierung die Schließung droht. Aufgrund des von Rot/Grün ausgeübten hohen Zeitdrucks und mangelnder Informationen von der Landesregierung kann das Konzept keine Aussagen zur Finanzierung treffen. Joachim Stamp ist sich aber sicher, dass die enormen Kosten, die das 9. Schulrechtsänderungsgesetz verursacht, von der Landeregierung nicht getragen werden können. Auf die ohnehin schon belasteten Haushalte der Kommunen werden somit neue Belastungen zukommen. Stamp bewertet die handwerkliche Ausführung dieses Gesetzes daher als ein großes Desaster für Kommunen, Schüler, Eltern und Lehrer gleichermaßen.

Weitere Kritik kam auch von den anwesenden Lehrern. So wurde unter anderem kritisiert, dass der hohe Numerus Clausus von 1,3 für Sonderpädagogik den Zugang zum Studium unnötig erschwert. Außerdem wurde angemerkt, dass Sonderpädagogen mit dem Lernstoff der Oberstufen, z. B. Latein, überfordert seien. Ebenfalls fehlt ein System nachdem Förderschullehrer den Regelschulen zugewiesen werden können, und obwohl dies dringend nötig sei, schweigt die Landesregierung dazu. Als Anregung merkte ein Förderschullehrer an, dass Einzelintegration kaum funktionieren kann und dass stattdessen die Gründung von Lernzentren, also von Förderschulklassen an Regelschulen, eine gangbare Alternative sei. Vielfacher Tenor aus dem Plenum war, dass das was die Landesregierung aktuell in Sachen Inklusion macht, fahrlässig ist und dass hier Ideologie auf dem Rücken der Schüler, Eltern und Lehrer ausgetragen wird.

Trotz der umfangreichen Kritik von allen Seiten rief Dr. Joachim Stamp in seinem Schlusswort dazu auf, das Thema nicht zu zerreden, aber ganz klar auch die Grenzen der Machbarkeit zu erkennen. Er forderte alle Betroffenen auf, pragmatisch zu handeln und keine Förderschule aufzugeben, wenn keine adäquate Alternative gegeben ist.

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